Gemünd

Die Kleine mit Charme

Von Manfred Lang
nach Vorarbeit der Stadtverwaltung Schleiden

1657 wurde die „Jemöngde Fahr“ Filialgemeinde von Olef. 1728 wurde eine Saalkirche errichtet, eine bereits vorher existierende Kapelle diente als Chor. Seit 1803 ist die Pfarrgemeinde St. Nikolaus Gemünd selbständig. Die heutige Pfarrkirche wurde 1858-1866 am westlichen Olefufer gebaut, die Turmspitze aber erst 1889 vollendet. In den 1950er Jahren wurde Sankt Nikolaus durch einen Chorumgang erweitert. (Repro: SA Schleiden, Bildsammlung)


Gemünd oder eine Achterbahnfahrt durch die Geschichte – Kreisstadt, Kurort, „Bald Bad?“, Stadtrechte, Verlust, Eingemeindung, wirtschaftlicher Niedergang, Wiederaufblühen zu nie dagewesenem Glanz als Nationalparkhauptstadt - Aus der wechselvollen Geschichte einer kleinen, vornehmen, liebevollen Siedlung an zwei Flüssen

„Gemünd, die Kleine mit Charme“ hieß die Kurstadt am Zusammenfluss von Urft und Olef einmal, in der ich als Knabe meine ersten „Urlaube“ im Hause von Onkel Peter und Tante Anneliese verleben durfte. „Jemöngk“ war für mich „janz jet Extras“, auch wenn ich nur über den Kermeter vom wenige Kilometer entfernten Dorf stamme.

In Gemünd gab es Läden, vor allem die „Eisdiele Calchera“, in der mein Freund Häns und ich eine Portion „Kasaletta“ (gemeint war „Cassata“) mit zwei Löffelchen bestellten, weil wir ein Autoquartett bei „Spielwaren Decker“ erworben hatten und das Geld danach nicht mehr für zwei Eis reichte.

In Gemünd gab es Kurpark und Schwimmbad, die Schützenkompanien, das Glücksspiel „Frankfurter Messe“ an Kirmes, einen Zoo mit zwei echten Braunbären, Tretboote und Ruderkähne zum Ausleihen am Nepomuk, das Café Drehsen, die Stadthalle, Restaurants, die „Reka“ für Jugendliche, ein Gefängnis, das Finanzamt, die Brauerei und das Amtsgericht. Wow!

Gemünd war für mich der Nabel der Welt, eine wirkliche Stadt, nach der ich „Fernweh“ verspürte, wenn ich wieder zu Hause auf dem elterlichen Bauernhof war. Als ob ich damals schon geahnt hätte, dass ich zwei Jahrzehnte später in der Rundschau-Redaktion in der Dreiborner Straße meine journalistischen Kinderschuhe anziehen und weidlich auslatschen würde. Gemünd war für mich der erste Berührungspunkt mit der großen weiten Welt…

  • Schleiden im Kreis Gemünd

    Es ist eine Laune der Geschichte, dass das Städtchen heute ein Teil der alten Kreisstadt Schleiden ist. 1816 war es umgekehrt, da gehörten die ehedem französischen Kantone Gemünd und Schleiden zum ab 1815 preußischen Kreis Gemünd. Der Sitz des Landratsamtes von Clemens August Freiherr von Syberg befand sich in der Gemünder Bäckergasse, heute Am Plan 3.

    Nach der Pensionierung des ersten und einzigen Landrats des Kreises Gemünd muss es für seinen Nachfolger Richard Beissel von Gymnich sehr verlockend gewesen sein, dem Ruf aus Schleiden ins dort leerstehende herzoglich-arembergische Schloss als Dienstsitz zu folgen. 1829 wird das Landratsamt nach Schleiden verlegt und der Kreis Gemünd in Kreis Schleiden umbenannt.

    Gemünd blieb zum Trost und wie zum Trotz bis heute der größere „Stadtteil“ von beiden. 1856 wurden der großen „Kleinen“ vom preußischen Provinziallandtag Stadtrechte verliehen wegen der „gewerblichen und kulturellen Regsamkeit“. Schon 1858 siedelten am Zusammenfluss von Urft und Olef nicht weniger als 1600 Menschen.

    Wie „et janze Schleedene Dall“ (Schleidener Tal) waren in Sonderheit Gemünd, Mauel und Nierfeld von der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert dominiert. Vielerorts in der Umgebung gab es Eisenerzabbau, im Tal war Wasserkraft vorhanden, um Eisenhämmer zu betreiben. Die Heizenergie für die Schmelzöfen bezog man aus Holzkohlemeilern, die ringsum im Kermeter-Buchenurwald glommen und rauchten.

  • Eisen, Wasserkraft, Holzkohle

    An den steilen Abhängen des Kohlwegs („Kollweich“) Richtung Gemünd und Mauel kann man noch die Transport-Rutschbahnen erahnen, auf denen das Heizmaterial zu Tale gelangte. Von Bleibuir/Bergbuir führt noch heute dem Namen nach der „Ieseweich“ (Eisenweg) nach Gemünd. Im 19. Jahrhundert gab es dort zwei Walzwerke für Kupfer („Koffer“) und Eisen („Iiese“), eine Drahtfabrik („Drooht“) und eine Gasröhrenfabrik.

    Die evangelische Familie Poensgen war seit Mitte des 15. Jahrhunderts im Schleidener Tal, unter anderem in Gemünd und Hellenthal, eng mit dem Eisenhüttenwesen verbunden und entwickelte dort im 19. Jahrhundert das ursprünglich handwerklich ausgerichtete Hütten- und Hammerwesen zum Großgewerbe.

    Ein Zweig der Familie („Famelisch“), der seit dem 17. Jahrhundert im Dürener Raum ansässig war, widmete sich dem Textilgewerbe und baute es zur großgewerblichen Manufaktur aus. Der Name Poensgen wird teils auf den Vornamen Pontianus, teils auf Potentinus (Schutzheiliger des Eifelklosters Steinfeld) zurückgeführt.

    Ein Teil der weit verzweigten Familie verließ nach 1860 Gemünd und siedelte bis 1864 mit ihren Eisen-, Stahl- und Röhrenwerken nach Düsseldorf („Düsseldörp“) um und erlangte dort dank seiner unternehmerischen Leistungen besondere Bedeutung bei der Entwicklung der Stadt zu einem bedeutenden Standort der Montanindustrie.

  • De Flitsch kütt

    Erst 1884 kam es im Schleidener Tal zur Eröffnung der infrastrukturell dringend notwendigen Eisenbahnlinie Kall-Gemünd-Hellenthal, der legendären „Flitsch“, doch da war das Schicksal der Eifeler Eisenindustrie schon besiegelt. Die Werke siedelten nach und nach an den Rhein und vor allem an die Ruhr, wo man riesige Steinkohlevorkommen erschlossen hatte, oder stellten den Betrieb ganz ein. Der letzte Gemünder Eisen verarbeitende Betrieb, das Walzwerk Mauel, schloss allerdings erst 1967.

    In Fritz Koenns „erschröcklicher Geschichte“ mit dem Titel „Wie die Noobesch Tant bahl mött de Bahn no Kölle jefahre wär“ (Als die Nachbars Tante um ein Haar mit der Eisenbahn nach Köln gefahren wäre…), wird die Ankunft der ersten Dampfeisenbahn im Bahnhof eindrucksvoll geschildert: „Unn du kohm och att die Flitsch va Hellendall eraff jebimmelt! Die Maschin fauch wie ene Kader, unn va lutter wissem Quallem soochste nemmie de Hangk für de Ohre. Ich woss jarnet mie, wo ich drahn wohr! Unn der jeflappte Schaffner, der böök at ömmer: »Bitte einsteigen! Bitte flück einsteigen!« Huu nee, ich kann de saahre! Endlich pook mich ene möddledije Puesch am Ärm unn schleef mich en de Wajong erenn. Datt wohr zwar de Packwahn, äve datt wohr mir en dämm Momang ratsch ejal…“

    Zu Josef Lorbachs Zeiten („Krommenauels Jupp“), einem legendären Journalisten, Kolumnisten und Autor aus Wollseifen, der später in Malsbenden wohnte, war in Gemünd noch der Satz geläufig: ,,Zwien Mann, zwoo Frauen on zwei Mädcher drewe mot zwien Ohese, zwoo Köh on zwei Kalver nohm Schleeder Maart.“ Auf Hochdeutsch ist die Sache einfacher: „Zwei Männer, zwei Frauen und zwei Mädchen trieben  zwei Ochsen, zwei Kühe und zwei Kälber zum Schleidener Markt.“

    Die vertriebenen ehemaligen Wollseifener, die überall in den Dörfern der Umgebung Haus und Wohnung fanden, wurden wegen ihres Mundartwortes „looker" („stets“, „Immer“) gehänselt. Für das Adverb hat man in Dreiborn den Ausdruck „lookter“, so Josef Lorbach. In Morsbach sage man „lütter“, in Gemünd halte man es mit „emmer“ oder „ömmer“.

    In der Nacht („Naaht“) vom 24. auf den 25. August 1851 kam es in Gemünd zu einem verheerenden Großbrand („Führ“), dem vor allem dicht an dicht gebaute, strohgedeckte Fachwerkhäuser („Faachwerkhüüse“) in der Dreiborner Straße zum Opfer fielen. 42 Wohnhäuser („Wonnhuuse“) sowie 62 Ställe („Ställ“) und Scheunen („Schüere“) wurden ein Raub der Flammen, etwa 300 Menschen verloren ihr Obdach („Daach övem Kopp“).

    Der Wiederaufbau aus Steinbauten zog sich über Jahre („Joohre“) hin, es entstanden die Neustraße („Noistrooß“) mit ihren Arbeiterhäuschen, die katholische Volksschule („Volleksschöll“), das heutige Brauhaus nebst Eifelmalermuseum, die inzwischen wieder abgerissene evangelische Volksschule, der neue Turm („Tuehn“, „Jlockes“) der evangelischen und die komplett neue katholische Pfarrkirche (1857-1862) St. Nikolaus.

  • Tourismus und Kur

    Seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich das landschaftlich wunderbar gelegene Städtchen zum Luftkurort. Der Bau der Urfttalsperre (1901-1905), die Kaiser Wilhelm II. persönlich einweiht, und die Errichtung eines Kurhauses (da, wo heute das Finanzamt steht) lockten den Fremdenverkehr an. Mit den Touristen und Kurgästen und den Einrichtungen für sie wuchsen Wohlstand und Selbstbewusstsein der Gemünder.

    Den Kurgästen wurden zur Gesundheitsförderung Massagen, Migränebehandlungen, Ernährungsberatung, medizinische Wasserbäder und Kneipp-sche Anwendungen verabreicht. 1970 wurde Gemünd als „Kneipp-Kurort“ staatlich anerkannt. Alles schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis dem Kneippkurort der Titel „Bad“ verliehen würde…

    Doch dann kam alles anders. Ganz anders. Die Kriterien für das „Bad“ waren nicht zu erfüllen, Gemünd wurde bei der Kommunalen Neugliederung nach Schleiden eingemeindet, klagte, verlor vor Gericht und verlor seine Stadtrechte und wurde ein Teil der alten Hassliebe Olef-aufwärts.

    Als es dann in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts auch im Geschäfts- und Einkaufsstädtchen mit seiner Lebensader, der Dreiborner Straße, noch den Bach runter ging, schien tatsächlich der Zeitpunkt gekommen, in Gemünd die Bürgersteige hochzuklappen. Der kesse Eifelspruch vom Auspupsen des Nachttischlichts kam einem in den Sinn: „Naaht Matthes, futz de Lamp uss!“

    Es kam kein weißer Ritter, der die Dornenhecke durchschnitt und „Die Kleine mit Charme“ wieder wachgeküsst hätte. Es kam, sah und siegte vielmehr eine alte Naturschutzidee des Mechernicher Geobotanikers Prof. Dr. Wolfgang Schumacher in Gestalt des „Nationalparks Eifel“, dessen grün-rote Fürsprecher Gemünd zur Nationalpark-Hauptstadt auserkoren und dort auch das Nationalpark-Forstamt ansiedelten. „Jemöngk for ever“ – die Kur war gestern, heute gibt es Nationalparktor, Ranger und Natur.

  • „Jemöngk for ever!“

    Was schreibt Wikipedia? „Im Brückenort Gemünd mündet die Olef in die Urft (so erklärt sich der Name des Ortes). Am Südhang des Kermeter-Hochwaldes und östlich der Dreiborner Hochfläche gelegen - bildet das südöstliche Tor zum Nationalpark Eifel. Urkundlich wurde »Gemunde« zum ersten Mal 1213 erwähnt.“

    1351 bis 1794 war Gemünd territorial und konfessionell getrennt: Nördlich der Urft gehörten die Häuser („Huuse“, Hüüse“) mit der lutherischen Kirche in ihrer Mitte zum Jülicher Amt Heimbach („Heimisch“), südlich der Urft mit der katholischen Nikolauskapelle (jetzt Pfarrkirche) zur Jülicher Unterherrschaft Dreiborn („Drommer“) und zur uralten Pfarrei Olef („Uhleff“). Ebenso waren Mauel und Malsbenden („Mohlsbönde“) entlang der Urft geteilt.

    1935 lebten entlang der Gemünder Flussläufe 2471 Menschen. Es gab neun Gastwirtschaften (Gasthaus zur schönen Aussicht von Geschwister Arens, Gasthäuser von Weiß, Heinrich Wilms, Peter Müller, Albert Schmitz, Peter Braden und Johann Müller, das Bahnhofsrestaurant sowie die „Sommerwirtschaft“ Ludwig Stoffels) und fünf Fremdenpensionen (Daniel Dinger, Witwe Franz Rau, Max Herz, Anton Wilden und Franz Offermann) sowie sieben Herbergen (Städtisches Kurhaus, Hotel zur Talsperre, Hotel zum Stern, Hotel Bungard (Hotel Friedrichs), Gemünder Hof (am Hermann-Kattwinkel-Platz), Hotel Rudolf Klaphake (jetzt Spielhalle Am Plan) und das Waldhotel.

    Als Gewerbetreibende führt die Bevölkerungsliste von 1935 Karl Basten als einzigen Apotheker auf und sieben Anstreicher, Maler und Tapezierer (Otto Borggräfe, Karl Mittag, Paul Rau, Hubert Dohmen, Franz Vitt, Josef Krause und Walter Schrick), den Architekten und Bauunternehmer: Franz Breuer, Hausarzt Dr. Schmitz, Zahnarzt Dr. Matzerath, Auktionator Ludwig Cremer sowie vier Autoreparaturwerkstätten (Josef Kühn, Karl Kaufmann, Anton Wilden und Peter Dressen).

    Mit Paul Cremer, Martin Poth, Franz Schorn und Heinrich Schorn waren vier Bäcker und Konditoren gemeldet, ein Böttcher (Heinrich Weines), zwei Bügler (Paul Klein und Witwe Hilarius Knott), ein Buchbinder (August Braselmann), zwei Buch- und Schreibwarenhandlungen (August Braselmann und Ehefrau Johann Krappmann), zwei Dachdecker (Wilhelm Mager und Peter Mohren), eine Drogerie (Edmund Herbrand) und zwei Eisenwarenhandlungen (Hubert Kruff und Geschwister Klöser).

  • Sieben Friseure, ein Hefehandel

    Im Verzeichnis befinden sich weiterhin drei Fahrradhandlungen (Hubert Kruff, Gerhard Kaulard und Karl Kaufmann), ein Feinkostgeschäft (Heinrich Monschau), sieben Friseure (Hubert Klöcker, Maria Wans, Martin Görres, Ehefrau Nikolaus Kirfel, Josef Thönnessen, Ehefrau Josef Knott und Johann Heinrichs), neun Fuhrunternehmer (Geschwister Hüby, Lambert Kyll, Franz Cremer, Otto Rotscheidt, Wilhelm Knott, Wilhelm Müller, Johann Müller, Theodor Henk und Peter Müller) sowie drei Galanteriewarenhandlungen (Ehefrau Johann Krappmann, Franz Schockert und Johann Peters).

    Nicht weniger als zehn Konsumgeschäfte (Friedrich Heinz, Johann Walber, Alex Drugg, O. Dinger, Geschwister Faust, Michael Saurbier, Geschwister Müller, Peter Frick, Franz Fischer und Hubert Lutherbach) stellten die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicher. Es gab eine Hefehandlung (Ehefrau Johann Löhe), eine Holzwarenhandlung (Poensgen, Scheibler & Co), vier Metzger (Albert Wolff, Max Herz, Erich Hammerschmidt und Josef Heck) sowie drei Fotografen (Richard Freche, L. Mertens und Edmund Herbrand).

    Drei Sattler gingen am „Gemünd“ von Urft und Olef ihrem Handwerk nach (Otto und Katharina Herbrand, Friedrich Windhausen und Johann Abel), zwei Schlosser (Hubert Kruff und Hubert Möhrer), ein Schmied (Albert Hennes), zehn Schneider (Ernst Zink, Klemens Zink, Alois Pützer, Josef Säckler, Ehefrau Max Herz, Josef Thönnessen, Ehefrau Hubert Klein, Ehefrau Wilhelm Stoffels, Theodor Rendenbach und Witwe Peter Mertens) sowie acht Schreiner (Stephan und Karl Saurbier, Josef Muntefering, P. Samanns, Tillmann Müller, Josef Wolfgarten, Karl Kremer, Wilhelm Golbach und Johann Brings).

    Es gab neun Schuhmacher (Peter Frauenkron, Josef Wolfgarten, Jakob Röttgen, Josef Blum, Johann Hoß, Johann Abel, Peter Frauenkron sen., Peter Esch und Hubert Möhrer), zwei Stellmacher und Wagenbauer (Johann und Josef Pfeil), einen Uhrmacher (Franz Schockert) und einen Zimmerer (Hubert Mey).

    Ende der 1930er Jahre wurde die Aachener Straße („Ööche Strooß“) für die Passierbarkeit schwerer Transporte ausgebaut. Hier rollten das Material und das Personal zum Bau der Ordensburg und des Dorfes Vogelsang sowie zur Errichtung des Westwalls heran.

  • „Onge de Bombe konn“

    Zahlreiche historische Häuser wurden abgerissen („affjerösse“) und historische Straßenzüge wie das Bäckergässchen verschwanden. Der katholische Friedhof („Kirchhoff“) wurde überbaut und nach Müsgesauel verlegt. Unmittelbar neben der katholischen Nikolauskirche wurde eine zweite, breitere Olefbrücke errichtet.

    Im Zweiten Weltkrieg wurden 80 Prozent der Gebäude und Straßen einschließlich der Brücken durch Luftangriffe zerstört. Gemünd hatte von der Nazi-Ordensburg Vogelsang profitiert und zahlte dafür gegen Kriegsende einen hohen Preis. Vell Löck senn onge de Bombe konn. Das Stadtbild ist heute geprägt durch Bauten der 1950/60er Jahre.

    Aus der Zeit des Wiederaufbaus könnte eine Anekdote stammen, die Josef Lorbach überliefert: Das gesellschaftliche Leben blühte zu der Zeit wieder auf, aber Bier und fleischliche Genüsse waren noch knapp und selten. Manchmal half aber Schlitzohrigkeit, um sich in den Genuss derart kostbarer Dinge zu bringen.

    So saßen die Gemünder Schützen eines Abends beim Klaphacke und stellten sich vor, wie zum Bier jetzt dein ordentlicher Stummel Fleischwurst schmecken würde. „Dä alt Dreße woss, dat Albertche en senger Metzgerei en jod Fleeschwursch maaht“, schreibt „Krommenauels Jupp“: „Häe roß e Blatt us sengem Notizbooch on schrew darop: »Übergebe bitte dem Überbringer dieses Zettels drei große Fleischwürste.«“

    Dann knickte der Hauptmann der Grünröcke das Blatt Papier um und klopfte seinem Schützenbruder Albert kameradschaftlich auf die Schulter: „Denk Dir, hee jet et Männ, die sohte, Du könns net Denge Name schrieve.“ Das ließ Metzger Albert aber nicht auf sich sitzen und setzte seinen „Friedrich Wilhelm“ auf das Stückchen weißes Papier, das der alte Drehsen ihm hinhielt.

    Lorbach erzählt weiter: „Mot demm Zeddel wur Tünn, der Adjudant van denne Schötze, halv Naat bei Albertche seng Frau jescheck, on et duert och net lang, boss dr Adjudant mot drei de schönnste Fleeschwürsch wedde erenn kohm. Heeßhongerig mahten sich die Schötze öwer de Fleeschwürsch her. Och Albertche leet sich die Wuersch jood schmaache on frooht dä ahle Dreße, wo seij dann esu metzen en r Naaht noch an die Wüersch jeroode wöre.“

    „Schlaachfädig sooht dä alt Dreße, de hätten seij beijm Metzje Heck jehollt, däe däht jo für de Schötze alles, on wann et metzen en r Naaht wöhr. Darop meent Albert, die hätten seij och bei ömm holle könne, dat wären öm de Schötze doch och noch wert. Wie Albertche dann spät en r Naaht no heem kohm, verzallt öm seng Frau dat Stöck van denne Fleeschwürsch, on dobeij klärt sich dann einijes op….“

  • Jröön steht de Schötzejonge schön

    Im Schleidener Stadtwappen weist die grüne („jrööne“) Grundfarbe auf Gemünd hin. Wappenrecht hatte die 1970 nach Schleiden eingemeindete Stadt erst 1936 erworben. „Auf Grün drei sich mittig treffende wellenförmige Balken in Silber („Sölleve“). Im Zentrum ein Schildbild mit schwarzem, auf Hinterbeinen stehendem, rotbezungtem Löwen auf goldenem Grund,“ so die amtliche Beschreibung des Wappens.

    Die grüne Grundfarbe spielt auf die Zugehörigkeit zur preußischen Rheinprovinz von 1816 bis zum Jahr der Wappenverleihung an, die silbernen Balken symbolisieren die Flüsse Urft und Olef und deren Zusammenfluss in Gemünd. Das Schildbild mit aufgerichtetem Löwen weist auf die ehemalige Zugehörigkeit Gemünds zum Herzogtum Jülich (bis 1795) hin.

    Als Wahrzeichen gilt und wesentlich älter als das Wappen ist die Nepomuk-Statue an der Stelle, an der die Flüsse aus Richtung Kall und Olef zusammentreffen und ineinanderfließen.

  • Freifrau stiftet einen Nepomuk

    Johannes von Pomuk bei Pilsen war ein böhmischer Priester und Märtyrer aus dem 14. Jahrhundert, der sich weigerte, das Beichtgeheimnis zu brechen und deshalb von der Prager Karlsbrücke ins Wasser der Moldau gestürzt wurde.

    Im 18. Jahrhundert wurde Johannes Nepomuk heiliggesprochen und gilt seither als Brückenheiliger und Schutzheiliger des Beichtgeheimnisses. Beim Neubau der Jülicher Brücke in Gemünd 1738 stifte die Freifrau Franziska von Harff, Herrin der Herrschaft Dreiborn, die Statue. Sie befand sich ursprünglich auf der Brücke.

    Nach einer Brückenerweiterung 1863 wurde sie auf den „Plan“ umgesetzt und seither mehrfach restauriert, weil Wind („Wöngk“), Wetter („Wödde“) und Vandalismus („de Sou maache“) dem Sandstein zugesetzt hatten. Das Original steht heute geschützt im Treppenhaus des Kurhauses. „Am Plan“ wurde eine maßstabsgetreue Kopie aufgestellt.

    Gemünd war vor 1933 religiös vielschichtig und tolerant. Es gab die bereits beschriebene Zweiteilung in einen katholischen und einen protestantischen Teil. Außerdem gab es seit dem Jahr 1700 eine jüdische Kultusgemeinde. Ihre Synagoge „am Kreuzberg“ wurde 1874 ihrer Bestimmung übergeben.

    Es handelte sich um einen einfachen Backsteinsaal mit 90 Sitzplätzen für Männer und 30 Plätzen auf der Frauenempore. Die meisten Gemünder Juden waren Metzger, Viehhändler und Kaufleute. Ihre Nachfahren kamen größtenteils im Holocaust um. In den Jahren 2013 bis 2016 verlegte der Künstler Gunter Demnig an den letzten Wohnorten der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus so genannte „Stolpersteine“, namentlich vor den früheren Wohnungen der jüdischen Gemünder Familien Hammerschmidt, Herz, Kaufmann, Meier, Meyer, Wolf, Wolff und Zack.

    Das katholische Gemünd gehörte ursprünglich zur Pfarrei Olef, hatte aber bereits seit Beginn des 14. Jahrhunderts eine eigene Kapelle, die dem Heiligen Nikolaus, Schutzpatron gegen Überschwemmungsgefahren, geweiht war. Urft und Olef waren damals noch ungebändigte Bäche, und Gemünd stand alle paar Jahre teil- und zeitweise unter Wasser.

  • St. Nikolaus und Trinitatis

    1657 wurde die „Jemöngde Fahr“ Filialgemeinde von Olef. 1728 wurde eine Saalkirche errichtet, die bereits bestehende Kapelle diente als Chor. Seit 1803 ist die Pfarrgemeinde St. Nikolaus Gemünd zur selbständigen Pfarrei erhoben. Dazu zählten damals Düttling („Döddeleng“, jetzt Hergarten, „Herrjaade“), Mauel, Malsbenden („Moohlsbönde“) und Wolfgarten („Wollefjaade“).

    1858 bis1866 wurde die heutige Kirche am westlichen Olefufer gebaut, die Turmspitze aber erst 1889 vollendet. In den 1950er Jahren wurde Sankt Nikolaus durch einen Chorumgang erweitert. Ihr Pendant ist die evangelische Trinitatis-Kirche am jenseitigen Urftufer.

    Bereits seit den 1560er Jahren lebten reformierte und lutherische Familien in Gemünd. 1660 kaufte die reformierte Gemeinde ein Haus in der heutigen Alten Bahnhofstraße und baute es zunächst zum Predigt- und Pfarrhaus um und ab 1733 zu einer Kirche. Sie wurde in den 1850er Jahren abgerissen. An ihrer Stelle wurde die evangelische Volksschule errichtet – und daneben ein neues Pfarrhaus.

    Dieses evangelische Pastorat wurde 1945 zerstört und 1952 durch das heutige Pfarrhaus in der Alten Bahnhofstraße 8 ersetzt. Der Giebel mit der Jahreszahl 1735 stammt vom vormaligen reformierten Pfarrhaus. Ursprünglich gab es eine lutherische und eine reformierte Konfession, die 1822 zur evangelischen Gemeinde fusionierten.

    Seit 2018 wird die evangelische Kirche in Gemünd neben kirchlichen Gottesdiensten, Kirchenmusik und Gemeindeveranstaltungen der Trinitatis-Kirchengemeinde auch als Konzerthaus für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Die Kulturkirche Gemünd mit Konzerten, Lesungen und Theateraufführungen ist in Zusammenarbeit mit der evangelischen Gemeinde Monschau Teil der „Kulturkirche Eifel – Monschauer Land und Schleidener Tal“.

  • Einwohnerzahl vervierfacht

    Heute hat Gemünd knapp 4000 Einwohner, viermal so viele wie 1817. 1858 waren es 1600, 1905 1968 Einwohner. Bis 1925 kletterte die Zahl der Gemünder auf 2139 und bis 1939 auf 3350 Einwohner. Zur Infrastruktur gehören 2020 drei Kindergärten, Grundschule, Sportplatz, Amtsgericht und Finanzamt. Gemünd ist Nationalparkhauptstadt mit Nationalparktor und Nationalparkforstamt.

    Das im Olympiajahr 1936 errichtete Freibad wird heute als von Bürgern ehrenamtlich betriebenes „Rosenbad“ bewirtschaftet (Verein Bürgerbad e.V.). Das Bürgerbad verfügt über ein großes Schwimmbecken mit Sprungturm und Rutsche, Kleinkindbecken mit Matschplatz, Volleyballfeld und ein Trampolin, Schaukeln, Tischtennisplatte und Tischkicker.

    1987 bekam der Kurgast in Gemünd Anwendungen nach Kneipp, medizinische Bäder mit naturreinen Vollextrakten, Elektrotherapie, Ultraschall, Heilgymnastik, Bewegungsbad, Massage, Lymphdrainage, Stangerbad, Fango, Heusack, Inhalation, Extension, Migränetherapie, Sauna und Solarium. Im großen Kursaal ist Platz für 500 Personen, im kleinen Kursaal für 100.

    Kneipp-Anlagen und gekachelte Bäderanlagen unterhalb des großen Kursaals sind heute außer Betrieb. Der Kursaal dient Theater- und Ballettaufführungen, Konzerten, Karnevalssitzungen, Versammlungen, Tagungen und Seminaren. Im Kurpark mit Fitnessgarten gibt es Outdoor-Fitnessgeräte, Bewegung und Massage im Bewegungsparcours, eine Disc-Golf-Anlage und von Anfang Mai bis Ende September sonntags kostenlose Open-Air-Kurkonzerte und Kasperletheater am Musikpavillon.

    Gaststätten sind heute Drehsen/Theisen, Brauhaus, Parkrestaurant und Dahmen. Beherbergungsbetriebe das Kurparkhotel, Hotel Dahmen, Hotel Katharinenhof, Baumstammhäuser „Eifel-Chalet“ und Hotel Friedrichs.

    Letzteres stammt von 1811 und beherbergte vornehmlich Kaufleute, Beamte und Offiziere. Tourismus war vor 1880 weitgehend noch unbekannt. Im Gästebuch finden sich unter anderem Zeichnungen der Eifelmaler Fritz von Wille und Ernst Inden. Im Lauf der Geschichte gab es mehrfach Namens- und Besitzerwechsel. 2013 kaufte dann das Ehepaar Manfred und Sabine Pesch das Hotel aus der Insolvenz, renovierte es und brachte ihm seine vier Sterne zurück.

    Die seit Jahrzehnten existierende Jugendherberge Gemünd ist 2020 in einen architektonisch sehr ansprechenden Neubau gezogen mit 188 Betten in 56 Zimmern, alle mit Dusche und WC, Familien-Zimmer, sieben Seminarräumen, großem Foyer, Kaminlounge, hauseigenem Bistro mit Außenterrasse, Fahrradkeller mit E-Bike-Ladestation und mobilen Grillstationen.

  • Eifeler Landbier und Ur-Gemünder

    Das touristische Gemünd wirbt heute unter anderem mit einem Gäste-Ticket zur kostenfreien ÖPNV-Nutzung, dem Ferienpark Salzberg und dem Wohnmobilhafen am Gemünder Kurpark. Eine lokale Spezialität sind die Biere der 1961 von dem Familienunternehmer Matthias Scheidtweiler gegründeten Gemünder Brauerei: „Gemünder Pils“, „Ur-Gemünder“ (ein helles obergäriges Bier, das nicht Kölsch heißen darf, weil es nicht in Köln gebraut wird, aber demselben Verfahren entspricht), seit 1996 „Eifeler Landbier“, das überregional bekannt ist, und neuerdings Steinfelder Klosterbier.

    Gemünder Unternehmen sind unter anderem Eifel-Spritzguss GmbH (Herstellung technischer Präzisionsteile aus thermoplastischen Kunststoffen im Spritzgussverfahren), KTS Verpackungen (aus Karton und Wellpappe mit Fokus auf Herstellung von Transport- und Versandverpackungen), Marienthaler Bierdeckeldruckerei in Mauel (4. Generation, Inhaber Andreas Uhlmann, Produktion über eine Milliarde Bierdeckel im Jahr) und die Wäscherei Moog (gegr. 1926, Hauptkunden sind Krankenhäuser, Seniorenheime und Pflegeeinrichtungen).

    Außerdem Poensgen, Scheibler & CO. / Firma Poeschco (1911 gegründete Leitern- und Holzwarenfabrik, seit 1970 Aluminiumleitern, Alu-Stege und Wartungsbühnen für Flugplätze und Fabriken) und der „Musik Club Lenz“ (eigentlich „Silentium“), dessen Inhaber „Bogell“ (eigentlich Bernd Hövel) 1996 DJ in der legendären „Reka“ war.

    Ins Gemünder Vereinsleben gehören die Vereinsgemeinschaft Gemünd, Dorfgemeinschaft Mauel, Bürgerbad Gemünd e.V., Gospelchor Gemünd, Jugendchor Gemünd, Kath. Kirchenchor St. Nikolaus Gemünd, Kinderchor, Männergesangverein 1853 Gemünd, JGV Malsbenden, Jugendarbeit der Evangelischen Kirchengemeinde, KOLOSSEUM Gemünd e.V. und KG Rot-Weiß Gemünd u.a. mit Roten Funken, Funkengarde, Fünkchen, Fünkelchen, Maxi-Showtanz und Schlawinchen.

    Außerdem gibt es den Reit- und Fahrverein Gemünd-Schleiden e.V., Gemünder Bürger-Schützenverein, St.-Sebastianus-Schützen-Bruderschaft 1699 e.V., Sportfischereiverein Gemünd 1962 e.V., SSV Gemünd (Spiel- und Sportverein) u.a. mit Jugendarbeit, Kinderturnen, Sport für Männer und Frauen Ü 60, Fitness und Lauftreff, Tennisclub Grün-Weiß Schleiden-Gemünd, VfL Gemünd 1974 e.V. u.a. mit Volleyball, Werbe-, Verkehrs- und Verschönerungsverein Gemünd (WVVV)und MSG Schleiden (Schiffsmodellbau).