Ein Hagen für die Heere


Das Militär hatte für die Geschichte von Herhahn weitreichende Bedeutung – Quartett auf dem Hochplateau: Mit Morsbach zusammengewachsen, das „tote Dorf“ Wollseifen in sich aufgenommen und „irgendwie“ gehört auch der Weiler „Hühnerbusch“ noch dazu

„Herhahn, Stadt Schleiden, Koordinaten: 50° 33′ 23″ N, 6° 27′ 9″ O, 529 m ü. NN, 464 Einwohner, Postleitzahl 53 937, Telefonvorwahl (0 24 44)“, lautet der Kurzsteckbrief von Herhahn („Mehere“) bei „Wikipedia“. Das Internetlexikon weiß auch, dass Herhahn wie das angewachsene „Mueschpisch“ (Morsbach) Teil der Dreiborner Hochfläche ist und vor der Kommunalen Neugliederung 1972 zur Gemeinde Dreiborn (Drommer, Drömme, Drommert) gehörte.

Weil Herhahn und Morsbach wie Firmenich/Obergartzem oder Schöneseiffen/Harperscheid aneinandergewachsene „Doppeldörfer“ darstellen, nennt sich die örtliche Karnevalsgesellschaft auch „De Morhahne“, offiziell „Karnevalsgesellschaft Rot Weiß Herhahn Morsbach 1963 e.V.“. Siedlungserweiterungen ließen die Dörfer expandieren und noch mehr zusammenwachsen.

Eigentlich gehört auch der von Schleiden kommend vorgelagerte Weiler „Hühnerbusch“ dazu. „Auch die Bewohner verstehen sich zunehmend als Gemeinschaft“, heißt es in einem Bericht des Schleidener Stadtarchivs für dieses Ortsportrait. Es gibt mehrere Vereinskooperationen. Kindergarten, Bürgerhaus, Pfarr- und Jugendheim, Sportplatz und Sportheim werden gemeinsam genutzt.

Eigentlich trägt das „Doppeldorf“ noch ein drittes in sich: das „tote“ Nachbardorf Wollseiffen, dessen Einwohner nach dem Zweiten Weltkrieg von den Briten vertrieben wurden, um vor der Haustür der „Mohrhahne“ den Truppenübungsplatz Vogelsang zu errichten, ehedem NS-Ordensburg und nachher Internationaler Platz mit Museen und Dokumentationsstätten.

1955 wurden 152 Tote vom Friedhof Wollseifen nach Herhahn umgebettet. 1967 wurde dort eine Gedenkstätte eingeweiht. Sie trägt eine Dorfansicht und die Namen der Wollseifener Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Mannech Träne senn jekresche wohre…

In einem Kupferbuch seitlich des Mauerwerks sind die Namen aller Wollseifener Familien verzeichnet, die durch den Räumungsbefehl 1946 ihren Heimatort verlassen mussten. Nach Aufgabe des Dorfes Wollseifen wurde die Pfarre Wollseifen 1957 aufgelöst und zur Pfarre St. Katharina Wollseifen-Herhahn vereinigt.

Heute überzieht das ganze Stadtgebiet einschließlich der Nachbargemeinde Hellenthal nur noch ein einziger Kirchenamtsbezirk, die „Gemeinschaft der Gemeinden Schleidener Tal“ von der belgischen Grenze bis zum Zusammenfluss von Urft und Olef mit dem Pfarrherrn und Eifelvikar Philipp Cuck.

„Herhahn, unmittelbar am Nationalpark Eifel gelegen, ist ein Stadtteil von Schleiden im nordrhein-westfälischen Kreis Euskirchen. Östlich der Ortschaft entspringt der Braubach. Der Ort verfügt über die katholische Kirche St. Katharina, einen Kindergarten, ein Jugendheim und eine Löschgruppe der Freiwilligen Feuerwehr. In Herhahn wohnen etwas über 460 Personen,“ fährt Wikipedia fort.

„Geflochtener Zaun, Hürde“
Obwohl im Dorfwappen von Herhahn-Morsbach ein Hahn abgebildet ist, hat der „Dörpsnaam“ (Ortsname) nichts mit Gockel zu tun. Nachdem das Wappen vorgestellt worden war, stellte der Regionalhistoriker und Mundartexperte Manfred Konrads die historischen und sprachlichen Zusammenhänge dar: „Hahn“ ist demnach eine verkürzte Form von Hagen und bedeutet „geflochtener Zaun, Hürde“.

„Herhahn“ beschriebe so einen umzäunten Raum, in dem einst Heere zu lagern pflegten. Das kann man sich in dieser exponierten Lage, im Halbkreis von steil abfallenden Tälern umgeben, geschützt auf dem Hochplateau gut vorstellen. Im 14. Jahrhundert gehört „Herham“ zum Herzogtum Jülich und zu dessen Unterherrschaft Dreiborn.

Die Herhahner heißen in der Umgebung „Herhahner“, sie selbst stellen gerne ein „me“ voran für „mein“. Willi Ronig schrieb in seinem Beitrag über die Schmiede Herhahn im Jahresheft 2020 des Geschichtsforums Schleiden e.V.: „Ich bin nun 80 Jahre alt, und immer noch stolz, „ne Eefeler us Mehere ze zenn!“ Karl Guthausen überliefert als Mundart-Entsprechungen auch „me Heeren“ oder „Meheern“.

Zur Zeit des Truppenübungsplatzes Vogelsang (1946 – 2005) war die Panzerstraße von der Panzerverladerampe der Eisenbahnstrecke Kall-Hellenthal („Flitsch“) in Schleiden-Höddelbusch nach Herhahn ortbildprägend. Gefechtslärm, Verkehrsbehinderungen und von Ketten- und Geländefahrzeugen abfallender Schlamm und Dreckklumpen inklusive. Die Nachkriegszeit dauerte in Herhahn so gesehen bis ins 21. Jahrhundert…

„Me Here“ sagt der Herhahner
Als im Jahre 1935 die Dörfer im Kreis Schleiden für den „Hinkenden Boten“ statistisch erfasst wurden, hatte „Mehere“ 239 Einwohner, eine Gastwirtschaft (Karl Ronig) und mehrere Gewerbetreibende, nämlich das Fuhrgeschäft Andreas Daniel, die Schmiede von Clemens Ronig, die Zimmerei Leo Jöbges, die beiden Schuster Wilhelm Esch und Heinrich Esch, Schneider Franz Schür, Schlächter Peter Lorbach, die Kolonialwarenhandlung und Drogerie Paul Dartenne und die Lohnmüller Hermann Daniel und Hermann Küsser.

Im Dorf gab es mehrere Schmieden in der Sippe Ronig. Eine Schmiede, genannt „Schmodde“, bewohnen heute Johanna und Helmut Kirch. Die Herhahner Schmieden waren hauptsächlich Hufschmieden („Hoofschmödde“), wo Ochsen („Oo-ehse“), Kühe („Kööh“) und später vor allem Pferde („Päerd“) beschlagen und landwirtschaftliche Geräte („Jeschier“) angefertigt und repariert wurden.

Zum Einzugsgebiet der Herhahner Schmiede zählten außer Herhahn und Morsbach selbst Scheuren („Schüüre“), Ettelscheid („Ettscheld“), Wolfgarten („Wollefjaade“), Malsbenden („Mohlsbönde“), Gemünd („Jemöngk“) und Dreiborn (Drommer). Letzter aktiver Herhahner „Schmott“ war bis 1978 Johann Ronig.

Eine weitere Schmiede stand an dem neuen Dorfplatz („Dörpsplaatz“), dort wo jetzt das Haus „Herhahn Nr. 15“ ist. 2020 eröffneten Hans-Peter und Willi Ronig an anderer Stelle eine Schmiedeausstellung, die in Zukunft am Tag des Denkmals und bei Dorffesten geöffnet sein soll. Der Letzte, der dort geschmiedet hat, war Johann Wilhelm Ronig (1850 – 1930). Er war bekannt für die Härtung von Schneidewerkzeugen.

Für das Wappen der Dorfgemeinschaft Herhahn-Morsbach entwarf ein Heraldiker drei Varianten, die in einer Bürgerversammlung ausgewählt wurden. Blau steht für das Wasser von Morsbach und Lahsbach, Gold für die Familie des Grafen von Schleiden. Moorkolben sollen die Vegetation der beiden Bäche und den Ortsnamen Morsbach widerspiegeln und ein, wie sich im Nachhinein herausstellte, deplatzierter schwarz-roter Hahn als Herleitung für den Ortsnamen Herhahn.

Grundsteinlegung Königsgeburtstag
Bereits 1831 wurden die Kinder von Herhahn und Morsbach gemeinsam unterrichtet. Am 3. August 1839, dem Geburtstag Friedrich Wilhelm III. von Preußen (Königsgeburtstag) wurde der Grundstein für das Schulhaus in Herhahn gelegt.

1926 wurde das neue Schulhaus bestehend aus zwei Klassenräumen und zwei Lehrerdienstwohnungen in der Weinhardstraße errichtet. In den 1960er Jahre wurden ein weiterer Klassenraum und eine dritte Lehrerdienstwohnung angebaut, 1966 ein Pausenhof und eine Gymnastikwiese angelegt. Heute dient die Schule als Bürgerhaus und Kindergarten, die Gymnastikwiese als Spielplatz.

Herhahn gehörte im Mittelalter zur Pfarre Olef und seit 1660 zur Pfarre St. Rochus, Wollseifen, das in diesem Jahr eigenständige Pfarrei wurde. Da Herhahn über kein eigenes Gotteshaus verfügte, gab es 1872 erste Bemühungen der Bewohner zur Errichtung einer Kapelle.

Durch die Auseinandersetzungen des protestantischen Preußen mit seiner katholischen Rheinprovinz, dem sogenannten Kulturkampf, zerschlugen sich die Kapellenbaupläne wieder. Erst 1909 wurde ein Bauverein zur Errichtung einer eigenen Kirche gegründet. Sie wurde 1920 gebaut und 1926 vollendet. Architekt war der Kölner Edmund Renard.

In diesem Jahr wurde von Seiten des Erzbistums Köln, zu dem Herhahn bis 1930 gehörte, auch die Einrichtung einer eigenen Seelsorgestelle genehmigt. Die bekannten Pfarrer sind Adolf Heitzer (1935 – 1952), Wilhelm Grundmann (1952 – 1976), Wolfgang Schröer (1976 – 1982), Bernhard Frohn (1982 – 1989) und Philipp Cuck (seit 1989).

Die Ruine der Pfarrkirche St. Rochus steht noch heute in der „Wüstung“ Wollseifen im Nationalpark Eifel. Sie verlor mit der Vertreibung der Pfarrangehörigen und Einrichtung des Truppenübungsplatzes Vogelsang ihre frühere Bedeutung. Das Pfarrleben verlagerte sich 1946 nach Herhahn.

Am 26. Juli 1948 wurde Herhahn zunächst von der Pfarre Wollseifen, die formal noch bestand, abgetrennt und zur eigenständigen Pfarrei erhoben. 1957 wurde schließlich die Pfarre Wollseifen aufgelöst und Herhahn zugeschlagen. Seitdem heißt die Pfarre St. Katharina Wollseifen-Herhahn.

Die Herhahner Kirche von 1926 war wegen der gestiegenen Bevölkerungszahl Anfang der 1970er Jahre nicht mehr groß genug. Zwischen 1972 und 1973 wurde die heutige Pfarrkirche nach Plänen des Heimbacher Architekten Franz Daheim gebaut. Teile der alten Kirche und fünf Fenster wurden integriert. Die Konsekration fand am 25. August 1973 statt.

Altes in neuer Kirche integriert
Wikipedia schreibt: „St. Katharina ist eine moderne Saalkirche aus Bruchstein und Beton. Der Altarbereich befindet sich an der Nordwand. Das Gebäude besitzt ein Satteldach, welches im Innenraum mit Holz verkleidet ist. Der Glockenturm befindet sich im Westen und ist nur wenig höher als das Kirchenschiff.“

Und weiter: „Im Innenraum befindet sich eine moderne Ausstattung. Die Orgel ist ein Werk von Weimbs-Orgelbau, Hellenthal, aus dem Jahr 1984. Das Instrument besitzt 14 Register und eine elektrische Traktur. Fünf Buntglasfenster von 1955 wurden aus der alten Kirche übernommen. Sie zeigen u. a. die hl. Agnes von Rom, Johannes den Täufer und die hl. Katharina von Alexandrien. Die restlichen Fenster wurden 1972 von Max Kratz geschaffen.“

Eine der drei Kirchenglocken wurde während des Zweiten Weltkrieges aus der Hubertuskirche in Udenbreth übernommen. Sie wurde 1512 gegossen. Der Friedhof gegenüber der Kirche ist eine Stiftung der Schmiedefamilie Ronig, deren Haus „Schmodde“ genannt wurde (heute Haus Kirch).

Alte Morsbacher pflegten den Kirchhof als „Schmodde Jaad“ zu bezeichnen („Wenn Du esu wegder süffs, dann köss du flott en Schmodde Jaad“ – Wenn Du so weitertrinkst, dann landest Du rasch im Schmiedegarten“, d.h. auf dem Friedhof).

Reichhaltiges Vereinsleben
Die Freiwilligen Feuerwehren Herhahn und Morsbach wurde 1926 aus der Taufe gehoben. Ende der 1920 er Jahre bekam jede Löschgruppe von der Gemeinde Dreiborn einen kleinen Fachwerk-Schuppen als Unterstellmöglichkeit für die Feuerwehrgeräte. Das neue Feuerwehrgerätehaus Herhahn („Feuerwehrhüüsje“) wurde 1961 errichtet.

Löschgerät war lange eine von Hand betätigte Druckspritze; erst 1970 wurden ein Fahrzeug mit Anhängerkupplung und eine Tragkraftspritze angeschafft. In den Jahren 2000 bis 2002 wurde das Gerätehaus der 1976 vereinigten Löschgruppen nochmals umgebaut. Erster Beigeordneter Marcel Wolter: „Es wird gemunkelt, dass es bald ein neues und größeres Feuerwehrgerätehaus geben soll, nur das Geld dafür muss noch »zusammengekratzt« werden.“

Herhahn verfügt über eine üppige dörfliche Infrastruktur, u.a. Dorfplatz mit Fahnenmast, Bürgerhaus im ehemaligen Schulgebäude, Sportplatz mit Sportheim, Jugendheim, Kindergarten „Rappelkiste“ im ehemaligen Schulgebäude, das Café Chalet, Bäckerei Möhrer im Baumstammhaus, Restaurant Fernblick und Gewerbegebiet Herhahn.

Zum reichhaltigen Vereinsleben gehören die erwähnte Karnevalsgesellschaft „Rot-Weiß“ Herhahn-Morsbach „De Morhahne“, der Musikverein Eifelklänge 1976 e.V., das Tambourcorps „Eifelgold“ Herhahn-Morsbach 1952 e.V. und der Sportverein „SV Herhahn-Morsbach“ von 1947 (heute „DJK Herhahn-Morsbach“).

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